Marburg und elektronische Musikszene – passt da was nicht zusammen?
Oh doch, auch abseits der Metropolen existieren starke Communitys, die ihre Leidenschaft mit Menschen teilen, die nicht jedes Wochenende in die Hauptstädte pilgern wollen. Gefeiert wird mal im Club um die Ecke oder weit draußen, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen.
Aber von Anfang Anfang an.
Nicolai, du bist Mitgründer vom Kollektiv „CloudCuckooLand“ und jobbedigt viel in der Welt unterwegs. Hat das Einfluss auf auf deine Musik?
Bedingt. Vorab müsste ich sagen, dass die Deep-/Techhouse Szene wie eine internationale, verbindende Familie ist. Egal, ob in Marocco, im Libanon, oder sogar im kleinen Slowenien. Da kann man schon von einer globalen Kultur mit vielen ähnlichen Symbolen sprechen. Im Ausland hört man aber schon mal genauer hin. Die Musik, die ich höre, ist ziemlich vielseitig. Ich lasse viele Elemente in die Sets einfließen, die mir irgendwo mal über den Weg gelaufen sind. Die Reisen hinterlassen also ihre Spuren und ich hinterlasse meine.
Wen du einen Ort nennen müsstest, der dich am meisten beeindruckt hat, welcher wäre das?
Ich bin ein leicht zu faszinierender Mensch. Man muss nur genau hinschauen und stößt quasi zwangsläufig auf Faszination. Schon mal von Arte Karambolage gehört? Das ist eine Kurzsendung über deutsch-französische Eigenarten. Ziemlich gut aufgearbeitet und inspirierend. Als Deutsch-Franzose hat mich diese Sendung ziemlich geprägt. Ich lasse mich also eher von der Buntheit des Alltags als von einzelnen Orten beeindrucken.
Stimmt es, dass die Fusion Schuld daran ist, dass ihr heute das macht, was ihr macht?Â
Ja. Ich glaube, dass die Fusion immer eine ziemlich individuelle Erfahrung ist. Diese war für die meisten von uns ziemlich prägend. Zum einen der Bambule- und Vagabondstyle und zum anderen die Professionalität. Einfach Toll. Ein inspirierender Ort für uns, aber auch für andere. Alle neuen Festivals der letzten fünf Jahre haben sich wohl irgendwie daran orientiert. Jetzt heißt es, sich weiterzuentwickeln.
Würdest du sagen, dass ihr es in einer kleinen Stadt schwerer habt, eine beeindruckende Party auf die Beine zu stellen, oder ist es hier vielleicht sogar leichter?
Ich glaube, es ist überall gleich schwer eine tolle Party auf die Beine zu stellen. Schwerer ist es aber, vor allem die Leute auf eine Party zu holen, die man sich dort wirklich wünscht. Uns geht es dabei darum, keine Macker oder dergleichen anzuziehen. Wir mögen Füchse, Albatrosse und viele andere bunte Tiere. Für kleine Provinzunistädte wie Göttingen, Heidelberg, Tübingen oder Marburg ist es schwieriger, aufmerksame Partygänger zu animieren. Kommerz, Masse und Ausverkauf ist einfach; Individualität, Liebe fürs Detail und Wertschätzung hingegen überall gleich schwer oder einfach.
Auf was kann man sich besonders freuen, wenn man zu euch auf die Party kommt?
Ein kreativer Augenschmaus mit viel selbstgemachter Dekoration, ein Füllhorn an Cloudhouse Mucke, aufgelegt aus eigenen Reihen, eine wertschätzende Partyatmosphäre mit viel Liebe. Und mal unter uns: Am meisten sollte man sich auf die Sachen freuen, die man am wenigsten erwartet. Also, einfach mal vorbeikommen und genießen!
Du hast die Deko erwähnt. Jeder, der schon mal bei euch war, weiß, dass ihr auf das Drumherum besonders viel Wert legt. Warum ist euch das so wichtig?
Wir freuen uns darüber, wenn unsere Gäste beispielsweise im Nachhinein über die Party reden und in ihrer Erinnerung kramen, was sie alles gesehen haben. Dann läuft man durch Marburg und hört plötzlich jemanden fragen: „Hast du das leuchtende U-Boot gesehen, das von der Decke hing?“ Sowas ist schön. Außerdem liegt uns der Utopiegedanke am Herzen. Einfach mal der Tristesse des Alltags entfliehen. Schöne dekorative Elemente helfen dabei natürlich. Außerdem ist es ganz nebenbei wie eine Art Ergotherapie für unsere Kollektivmitglieder. Eine win-win Situation für alle!
Stimmt es, dass die Einnahmen von euren Partys direkt in die Deko für die nächste Party investiert werden?
Ein großer Teil fließt in die Professionalisierung. Zuerst bastelt man mit Papier und Karton. Dann upgraded man auf Stoff und Holz. Zuletzt folgen aufwendige Stromkreise und andere Dinge. Wenn wir aber ehrlich sind, geht schon ziemlich viel für PA-Technik drauf. Das ist den Party Gästen dann zwar egal, aber manche wundern sich schon, dass wir eine „Funktion One Evo-whatever“ auf eine Wiese stellen, mit dem Risiko von der Polizei entdeckt zu werden. Aber auch hier gilt klar das Motto: Qualität statt Quantität.
Ein zweiter Teil wird gespendet. Willst du darüber was erzählen?
Wir haben schnell gemerkt, dass es schwierig ist, Geld umzuverteilen. Das widerspricht unserem Leistungsprinzip. Daher bekommt niemand aus eigenen Reihen etwas – Die Erschöpfung ist unser Lohn. Deshalb kam schnell die Idee, den Erlös zu spenden. Und es tut wirklich gut, das Geld weiterzugeben. Da wir alle dazu beigetragen haben, das Geld zu verdienen, wird auch gemeinschaftlich entschieden, wohin das Geld dann gehen soll. Manchmal sind es Projekte von Freunden, wie beispielsweise ein Kinderhaus in Indien. Oder es geht in ein internationales Projekt, wie Medico. Außerdem unterstützen wir auch Kollektive wie PENG!, die einfach geile Sache machen.
So tolerant ihr seid, was geht bei euch gar nicht?
Jegliches homophobes, rassistisches, oder sexistisches Verhalten. Sowas gehört auf keine Party. Zusammen feiern heißt für uns auch aufeinander aufzupassen.
Was sind eure nächsten Termine, wo können wir euch besuchen?
Noch ist ja Sommer, deshalb wird die nächste Party im Freien sein. Der Termin muss leider noch geheim bleiben. Aber es wird bis Oktober auf jeden Fall etwas im Grünen von uns geben. Danach zieht es uns wieder in verschiedene Clubs. Schaut mal auf unsere facebook Seite. Dort findet ihr anstehende Termine und musikalische Eindrücke unserer Parties. Oder schreibt uns bei Interesse auch gern eine persönliche Nachricht.
https://soundcloud.com/nicolai-van-d
https://soundcloud.com/nicolai-van-d/sets/the-sets-karawane-1-3